Divergierende Leerstände: Die Gründe

Die jüngsten Zahlen der leerstehenden Wohnungen in der Schweiz zeigen kein eindeutiges Bild. Während die Leerstände bei den zu vermietenden Wohnungen rückläufig sind, steigen sie bei den zu verkaufenden Wohnungen an.



Leerwohnungszählung 2023

Anders als vor zwei Jahren barg die Veröffentlichung der Resultate der diesjährigen Leerwohnungszählung kaum Überraschungen. Die Leerwohnungsziffer erfuhr wie erwartet einen weiteren Rückgang auf 1,15% (2022: 1,31%). Dieser Rückgang war allerdings ausschliesslich auf die Entwicklungen im Mietwohnungsmarkt zurückzuführen. Die Zahl der leerstehenden, zu vermietenden Wohnungen nahm innert Jahresfrist um 8343 ab. Bei den leerstehenden, zum Verkauf ausgeschriebenen Wohnungen nahm die Zahl dagegen um 1612 zu. Dafür gibt es gute Gründe.



Steigende Mietwohnungsnachfrage

Der Nachfrageindex, der im 2. Quartal 2020 seinen vorläufigen Tiefststand erreicht hatte, ist auch zwischen dem 2. Quartal 2022 und dem 2. Quartal 2023 weiter angestiegen. Die Ursachen dafür sind bekannt: eine rekordhohe Nettozuwanderung, einer­seits als Folge des Fachkräftemangels, anderseits wegen des Kriegs in der Ukraine, sowie ein Haushaltswachstum, welches das Einwohnerwachstum klar übersteigt.



Sinkendes Mietwohnungsangebot

Der steigenden Nachfrage nach Mietwohnungen steht ein Angebot gegenüber, das seit zwei Jahren mehr oder weniger kontinuierlich zurückgeht. Hauptverantwortlich für diesen Rückgang ist die geringere Neubautätigkeit im Mietwohnungssegment, die eine Folge der stark steigenden Mietwohnungsleerstände der Vorjahre sein dürfte – der «Schweinezyklus» lässt grüssen.



Rückläufige Mietwohnungsleerstände

Das Zusammentreffen dieser beiden Entwicklungen hat wie erwartet zu einem weiteren Rückgang der Mietwohnungsleerstände geführt. Das Bundesamt für Statistik (BFS) weist die Zahl der leerstehenden, zur Vermietung ausgeschriebenen Wohnungen per 1. Juni 2023 mit 54'765 aus, ein Stand, der letztmals 2015 unterschritten wurde.

Abbildung 1: Mietwohnungs­-Angebot und ­-Nachfrage (linke Achse, Index Q1/2020 = 100) sowie leerstehende, zu vermietende Wohnungen (rechte Achse, Anzahl)
Abbildung 1: Mietwohnungs­-Angebot und ­-Nachfrage (linke Achse, Index Q1/2020 = 100) sowie leerstehende, zu vermietende Wohnungen (rechte Achse, Anzahl)

Sinkende Eigenheimnachfrage

Ganz anders präsentiert sich die Entwicklung bei den Eigenheimen. Hier geht die Nachfrage seit Mitte 2021 kontinuierlich zurück. Zum einen ist dieser Rückgang eine Korrektur des extremen Anstiegs der Eigenheimnachfrage während der Coronapandemie. Zum anderen dürfte auch der starke Zinsanstieg der vergangenen Monate eine Rolle spielen.



Steigendes Eigenheimangebot

Die sinkende Eigenheimnachfrage trifft dabei auf ein seit Kurzem wieder steigendes Angebot. Seit dem Tiefpunkt im 2. Quartal 2022 hat sich das Angebot an Eigentumswohnungen in der Schweiz um mehr als 15% erhöht. Dieser Anstieg ist allerdings nicht auf eine erhöhte Neubautätigkeit zurückzuführen. Er dürfte vielmehr eine Folge davon sein, dass Mieten aufgrund des angesprochenen Zinsanstiegs heute wieder günstiger ist als Kaufen bzw. im Eigenheim wohnen.



Steigende Eigenheimleerstände

Es erstaunt deshalb wenig, dass das BFS die Zahl der leerstehenden, zum Verkauf ausgeschriebenen Wohnungen per 1. Juni 2023 um 1612 Einheiten höher ausweist als noch vor einem Jahr. Von einem Überangebot im Wohneigentumssegment zu sprechen, wäre allerdings nicht richtig, denn mit 10'552 liegt die aktuelle Leerwohnungszahl weiterhin unterhalb der Stände von 2017 bis 2021, alles Jahre, in denen die Eigenheimpreise schweizweit angestiegen sind.

Abbildung 2: Eigentumswohnungs­-Angebot und -­Nachfrage (linke Achse, Index Q1/2020 = 100) sowie leerstehende, zu verkaufende Wohnungen (rechte Achse, Anzahl)
Abbildung 2: Eigentumswohnungs­-Angebot und -­Nachfrage (linke Achse, Index Q1/2020 = 100) sowie leerstehende, zu verkaufende Wohnungen (rechte Achse, Anzahl)

Ausblick

Dass die Wohnungsleerstände schwanken, liegt in der Natur der Immobilienmärkte. Zusätzliches Angebot kann nicht von heute auf morgen geschaffen werden. Entwickeln und Bauen dauert. Und so unterliegen die Immobilienmärkte dem klassischen «Schweinezyklus», einem Phänomen, das gemäss Wikipedia erstmals 1927 von Arthur Hanau in einer agrarwissenschaftlichen Dissertation über die Entwicklung der Schweinepreise beschrieben wurde. Mangel fördert Investi­tionen, die sich mit einem Verzögerungseffekt auf das Angebot auswirken, was zu einem Überangebot führt. Die Investoren reduzieren daraufhin ihre Aktivitäten, was verzögert wieder einen Mangel zur Folge hat.

Obwohl die Leerstandsziffer mit 1,15% inzwischen nahe bei bzw. unter der Gleichgewichts­Leerstandsziffer liegt (Avenir Suisse beziffert diese auf 1,1%, Wüest Partner geht von 1,27% aus), sind bei den Vorlaufindikatoren der Baugesuche und Baugenehmigungen keine verstärkten Aktivitäten der Investoren auszumachen. Es scheint, als ob der Marktmechanismus auf den Schweizer (Miet­)Wohnungsmärkten gegenwärtig erheblich gestört ist. Das ist für alle Marktteilnehmer unbefriedigend, und es bleibt zu hoffen, dass sich der Massnahmenplan des vom Bundesrat einberufenen runden Tisches gegen die Wohnungsknappheit darauf konzentriert, die Störfaktoren zu reduzieren, und nicht darauf, den Marktmechanismus noch weiter einzuschränken.

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