Während der Schock des Kriegsausbruchs bei der Mietwohnungsnachfrage bereits wieder verdaut scheint, weist der Trend bei der Eigenheimnachfrage weiter nach unten. Hauptverantwortlich dafür sind die wieder steigenden Zinsen.
Verdauter Schock
Im Blog-Beitrag vom Aprill 2022 war nachzulesen, wie rasch die Immobiliennachfrage – gemessen an der Zahl der Suchabos – auf exogene Schocks reagiert («Sensitive Immobiliennachfrage»). Im Ausblick des Artikels wurde auch darauf hingewiesen, dass die längerfristige Nachfrageentwicklung vor allem von der Entwicklung der Konjunktur abhängig ist. Gegenwärtig erwartet die Schweizer Wirtschaft keine Abwärtsbewegung. Zwar ist das KOF Konjunkturbarometer im März 2022 zum ersten Mal seit Januar 2021 wieder unter den langfristigen Durschnitt von 100 gefallen, doch stieg es bereits im April 2022 wieder auf 101.7 Zähler (von revidierten 99.2 im März). Erholt hat sich auch die Mietwohnungsnachfrage, wo die Zahl der Suchabos seit Mitte März erneut im Steigen begriffen ist und heute saisonbereinigt bereits wieder über dem Stand von vor dem Kriegsausbruch liegt (Abbildung 1).
Divergenzen
Allerdings sind bei der Nachfrage nach Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern keine vergleichbaren Anstiege zu beobachten. Im Gegenteil: Der Sinkflug der Nachfrageindizes hat sich in beiden Marktsegmenten bis heute fortgesetzt, und dies, obwohl sich die Konjunkturaussichten wieder leicht aufgehellt haben. Diese kurzzeitig divergierenden Entwicklungen von Mietwohnungs- und Eigenheimnachfrage sind allerdings nichts Neues und waren auch in der Vergangenheit schon zu beobachten (vgl. z. B. NZZ Domizil, 16.3.2019, «Immobiliennachfrage im Wechselbad»). Verantwortlich für die Divergenzen war – und ist wohl auch gegenwärtig – die Zinsentwicklung.
Zinsanstieg
Der Krieg in der Ukraine und die in der Folge stark gestiegenen Energiepreise sind mit ein Grund, weshalb die Inflation inzwischen von vielen Experten nicht mehr nur als temporäres Phänomen angesehen wird. Auch die Notenbanken sind in ihrer Rhetorik vorsichtiger geworden und sind daran oder bereiten sich darauf vor, ihre Geldpolitik zu straffen. Am Kapitalmarkt sind die Zinsen bereits gestiegen, auch in der Schweiz. Die Renditen von 10-jährigen CHF-Obligationen der Eidgenossenschaft kletterten in kurzer Zeit um über 100 Basispunkte und liegen inzwischen wieder auf einem Niveau, wie es zum letzten Mal vor acht Jahren zu beobachten war. Auch die Richtsätze für langfristige Hypotheken erreichten neue Höchststände, was nicht ohne Auswirkungen auf die Entwicklung der Eigenheimnachfrage blieb (Abbildung 2).
Ausblick schwierig
Neben den konjunkturellen Aussichten dürfte die Zinsentwicklung ein wichtiger Einflussfaktor der Eigenheimnachfrage bleiben. Doch die Zinsentwicklung ist gegenwärtig kaum prognostizierbar. Denn auf der einen Seite droht die Teuerung aufgrund der durch die chinesische Zero-Covid-Politik ausgelösten Lieferengpässe weiter anzuziehen, was für weitere Zinserhöhungen spräche. Auf der anderen Seite könnte ein weiterer Zinsanstieg die eh schon labile Konjunkturentwicklung zusätzlich gefährden. Experten rechnen deshalb für die nähere Zukunft mit einem volatilen Zinsumfeld – bei relativ stabilen Zinsen am kurzen sowie stärker schwankenden Zinsen am langen Ende.
Stagflation?
Solang die Wechselwirkung von Konjunktur- und Zinsentwicklung jedoch intakt bleibt, sind Immobilienbesitzer in einer recht komfortablen Situation: Geht es der Wirtschaft gut, steigt die Nachfrage nach Immobilien, was die Preise treibt. Droht dagegen eine Rezession, sinken die Zinsen, was die Immobilienwerte ceteris paribus in die Höhe schiessen lässt. So richtig unangenehm wird es erst in einem Stagflations-Szenario, wo es der Wirtschaft schlecht geht und die Zinsen trotzdem steigen, weil die Preise aufgrund von unabhängigen Drittfaktoren (Energiepreise, Lieferengpässe etc.) aus dem Ruder laufen. Ein solches Szenario hätte auch gravierende Folgen für die Immobiliennachfrage, die zurückgehen würde wegen der schlechten Konjunkturentwicklung und im Eigenheimsegment einen zusätzlichen Dämpfer erhielte wegen der steigenden Zinsen. Bleibt zu hoffen, dass wir zumindest in der Schweiz um ein solches Szenario herumkommen. Die Prognosen für das Wirtschaftswachstum im nächsten Jahr wurden zwar in der jüngsten Zeit nach unten korrigiert, bewegen sich aber immer noch im positiven Bereich.