Dass Menschen aufgrund steigender Mietpreise im bestehenden Wohnungspark näher zusammenrücken, ist nicht nur Theorie. Darauf deuten auch segmentspezifische Auswertungen der Mietwohnungsnachfrage hin.
Näher zusammenrücken
Die Raiffeisen-Publikation «Immobilien Schweiz» des 4. Quartals 2023 war übertitelt mit «Preise als Verdichter». Die Autoren stellten darin fest, dass erstens der Schweizer Wohnungsmarkt aus einer Situation des Überangebots mit «hoher und historisch einmaliger Geschwindigkeit» ins Gegenteil kippe. Zweitens bleibe eine Reaktion der Angebotsseite weitgehend aus und drittens seien für diese Bauflaute strukturelle Probleme verantwortlich, deren Lösung «Jahre, um nicht zu sagen Jahrzehnte, benötigen». Als Folge davon sahen die Autoren den Mietwohnungsmarkt in eine Knappheitsphase eintreten, mit entsprechenden Konsequenzen auf der Preisseite. Und die starken Preisanstiege hätten Folgen für die Nachfrager, die beginnen würden, ihren Flächenkonsum einzuschränken.
Zu ähnlichen Schlüssen kamen praktisch gleichzeitig die Immobilienmarkt-Experten von Wüest Partner in ihrer Studie «Immo-Monitoring 2024|1». So stellten sie fest, dass die Anzahl neu gebildeter Haushalte mit mindestens drei Personen so stark zugenommen habe wie seit 2016 nicht mehr, und sahen darin ein «Indiz dafür, dass die Wohnungsknappheit das Nachfrageverhalten der Schweizer Haushalte massgeblich beeinflusst». Die Schweizer Bevölkerung sei durch die Illiquidität des Wohnungsmarktes «vermehrt dazu gezwungen, statt allein mit anderen Menschen zusammenzuwohnen».

Was zeigen die Nachfragedaten?
Die Entwicklung der Mietwohnungsnachfrage nach Wohnungsgrösse seit Herbst 2023 (vgl. Abbildung 1) zeigt zunächst keine besonders auffälligen Veränderungen. Die Nachfrage nach kleinen (1 bis 2,5 Zimmer) und mittleren (3 bis 4,5 Zimmer) Mietwohnungen verläuft bis Ende 2024 annähernd parallel. Jene nach grossen (ab 5 Zimmern) Mietwohnungen fällt im zeitlichen Vergleich zwar etwas höher aus, doch daraus auf eine vermehrte Nachfrage nach Wohnungen für Wohngemeinschaften zu schliessen, scheint in Anbetracht der eher bescheidenen Unterschiede nicht wirklich angebracht.
Wesentlich deutlichere Unterschiede zeigen sich ab Herbst 2023 bei der Entwicklung der Mietwohnungsnachfrage nach Preissegmenten (vgl. Abbildung 2). Der Anteil der Suchabos im obersten Quartil der Angebotspreise (teure Mietwohnungen) nahm bis Ende 2024 markant stärker zu als jener nach günstigen (unterstes Quartil der Angebotspreise) oder mittelteuren Mietwohnungen. Dieser Anstieg des Anteils der Suchabos nach teuren Mietwohnungen ist nicht einfach eine Folge der steigenden Angebotspreise. Da die Definition der Preissegmente über die Preisquartile bei den Angebotsmieten erfolgt, werden die ausschlaggebenden Preisgrenzen regelmässig an die Entwicklung der Angebotspreise angepasst.
Zumindest bei der Wohnungssuche scheinen die Nachfrager bis Ende des vergangenen Jahres also weniger ihre Bedürfnisse beziehungsweise Ansprüche zurückgeschraubt als vielmehr ihre Zahlungsbereitschaft nach oben angepasst zu haben.

Schmerzgrenze erreicht
Im laufenden Jahr haben sich die Nachfrageindizes jedoch anders entwickelt als in den Vorjahren. Die Entwicklung der Mietwohnungsnachfrage nach Preissegmenten zeigt kein Auseinanderlaufen der verschiedenen Indizes mehr, sondern vielmehr einen zunehmend parallelen Verlauf. Der Anteil der Suchabos im obersten Preisquartil der Angebotsmieten stagniert. Das kann darauf hindeuten, dass die Wohnungssuchenden in ihren Wohnbudgets nicht unendlich Spielraum nach oben haben. Irgendwann ist die Schmerzgrenze erreicht und die Nachfrager beginnen, ihre Bedürfnisse anzupassen.
Ausweichen auf kleinere Wohnungen
Dass solche Anpassungen erfolgen, darauf deuten die Index-Entwicklungen nach Wohnungsgrösse hin. Gleichzeitig mit dem Ende des Trends, dass immer teurere Mietwohnungen nachgefragt werden, hat sich die Suche nach grossen Wohnungen im laufenden Jahr reduziert, während jene nach kleinen Wohnungen klar angezogen hat. Diese Veränderungen lassen vermuten, dass die Studienautoren recht behalten könnten. Die steigenden Preise scheinen das Nachfrageverhalten der Schweizer Haushalte tatsächlich zu beeinflussen. Die Daten aus den Suchabos vermögen zwar nichts darüber zu sagen, für welche Wohnungen die Nachfrager einen Mietvertrag abschliessen, und auch über die Wohnflächen lassen die vorhandenen Daten keine Aussage zu. Sie zeigen jedoch, dass sich der Anteil der Suchabos nach kleinen Mietwohnungen erhöht und sich jener der Suchabos nach mittleren und, besonders auffällig, nach grossen Mietwohnungen reduziert hat. Das deutet darauf hin, dass das angesprochene Zusammenrücken nicht mehrheitlich in Wohngemeinschaften und grösseren Wohnungen erfolgt, sondern vielmehr in Wohnungen, die sich die Suchenden leisten können, und die ein Zimmer weniger aufweisen, als sich das die Nachfrager noch vor zwei Jahren gewünscht haben.
Einschätzung
Das prognostizierte «näher Zusammenrücken» scheint also stattzufinden, auch wenn nur jene Haushalte betroffen sind, die umziehen (müssen). Für die Mehrheit der Mieter bedeutet die aktuelle Marktsituation – heute mehr noch als vor zwei Jahren –, dass es die eigene bezahlbare Mietwohnung zu halten gilt, selbst wenn sich die Lebensumstände ändern. Wie im Immobilia-Artikel «Günstig wohnen auf Kosten der Suchenden» (Juni 2024) beschrieben, führt das Auseinanderklaffen von Bestands- und Angebotsmieten zu einem Lock-in-Effekt, der sich nicht nur in den bezahlten Mietpreisen zeigt, sondern immer häufiger auch in den belegten Wohnungsgrössen. Das geltende Mietrecht zementiert heute in erster Linie einen grösser werdenden Graben zwischen «Insidern», die über eine bezahlbare Mietwohnung verfügen, und «Outsidern», die sich um ein kleines und teurer werdendes Angebot bewerben müssen. Selbst wenn sich die strukturellen Probleme auf der Angebotsseite mit der Zeit lösen oder zumindest reduzieren lassen, scheint es angebracht, auch auf der Nachfrageseite über neue Lösungen zumindest nachzudenken.