Die heftigen Zinsbewegungen und die anziehende Teuerung haben die Immobiliennachfrage in den letzten vier Jahren durcheinandergewirbelt. Inzwischen scheinen sich sowohl die Nachfrage nach Mietwohnungen als auch jene nach Wohneigentum wieder zu normalisieren.
Konjunktur und Nachfrage
Die Entwicklung der schweizerischen Wohnungsnachfrage korreliert, wie schon verschiedentlich beschrieben, signifikant mit der wirtschaftlichen Entwicklung. Das ist insofern wenig erstaunlich, als die beiden wichtigsten Komponenten der Immobiliennachfrage in der Schweiz, die Nettozuwanderung und die Veränderung der inländischen Wohnungsnachfrage, stark konjunkturabhängig sind. Eine positive Beschäftigungs- und Einkommensentwicklung führen sowohl zu einer höheren Zuwanderung von Arbeitskräften als auch zu einer höheren Wohnungsnachfrage der ansässigen Bevölkerung. Kein Wunder also, dass sich der Nachfrageindex für Mietwohnungen und das KOF-Konjunkturbarometer über weite Strecken im Gleichschritt bewegen (vgl. Abbildung 1).
Verwerfungen während Covid
Diese parallele Entwicklung der beiden Zeitreihen nahm allerdings 2020 ein jähes Ende. Die beiden Lockdowns in der Schweiz führten dazu, dass sich die Konjunkturaussichten jeweils dramatisch verschlechterten. Die Immobiliennachfrage gemessen an der Anzahl der Suchabos auf den grossen Immobilienplattformen, reagierte dagegen weit weniger heftig. Dies erklärt sich zum einen durch die unterschiedlichen Messmethoden (bestehende Suchabos werden wahrscheinlich häufiger einfach einmal laufen gelassen, auch wenn die Dringlichkeit der Suche abgenommen hat), zum andern fand während der Lockdowns eine Neubewertung des Wohnens statt, was die Wohnungsnachfrage insgesamt gestützt hat.
Normalisierung 1
Mit dem Ende des zweiten Lockdowns Ende Mai 2021 begann sich die Situation in der Schweiz wieder zu normalisieren. Die wilden Sprünge bei den Konjunkturerwartungen klangen langsam ab, und auch ein Teil der Nachfrageverschiebungen während der Pandemie bildete sich zurück («Rückkehr zur Normalität?»). Seit Mitte 2022 bewegen sich die Mietwohnungsnachfrage und das KOF-Konjunkturbarometer wieder im Gleichschritt – wie gehabt.
Zinsen beeinflussen Eigenheimnachfrage
Was für die Mietwohnungsnachfrage gilt, gilt zunächst einmal auch für die Nachfrage nach Eigentumswohnungen: Eine positive Konjunkturentwicklung beeinflusst die Eigenheimnachfrage positiv – und umgekehrt. Typischerweise sind die Amplituden bei der Nachfrage nach Wohneigentum aber etwas versetzt und vor allem höher als bei der Nachfrage nach Mietwohnungen. Dies hat damit zu tun, dass die Eigenheimnachfrage massgeblich von der Zinsentwicklung abhängt («Nominal, real – egal?»). In Zeiten rückläufiger Zinsen (wie zum Beispiel 2016 oder 2019) stieg die Nachfrage nach Wohneigentum überproportional an (vgl. Abbildung 2).
Verkehrte Welt
Der überproportionale Anstieg der Eigenheimnachfrage in den Jahren 2020/21 kann allerdings nicht mit der Zinsentwicklung erklärt werden. Hier spielen offensichtlich die veränderten Präferenzen der Nachfrager während der Pandemie eine wichtige Rolle («Sich öffnende Scheren»). Entsprechend hat sich die Schere zwischen den Nachfrageindizes für Miet- und Eigentumswohnungen nach dem Ende der Pandemie wieder geschlossen. Für eine gewisse Zeit herrschte bei der Immobiliennachfrage deshalb eine Art «verkehrte Welt»: Während die Eigenheimnachfrage stark zurückging, stieg die Nachfrage nach Mietwohnungen weiter an. Die steigenden Zinsen trugen das ihrige dazu bei, dass sich die Nachfrage nach Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern in der Schweiz bis Ende 2022 wieder auf das Vorpandemie-Niveau zurückentwickelt hat.
Normalisierung 2
Seit Anfang des vergangenen Jahres bewegen sich aber auch die Nachfrageindizes für Miet- und Eigentumswohnungen wieder in vertrauten Bahnen – nämlich in dieselbe Richtung. Dass Anfang Juli 2023 die für den Juni gemeldete Jahresteuerung mit 1.7 Prozent das erste Mal seit Februar 2022 wieder innerhalb des von der Nationalbank angestrebten Zielbands von 0 bis 2% lag, hat überdies zu einer Trendwende bei der Nachfrageentwicklung gesorgt. Zum einen wird die erwartete Konjunkturentwicklung von den Marktteilnehmern tendenziell positiver beurteilt. Zum anderen haben sich die Hypothekarzinsen von ihren Höchstständen gelöst und liegen inzwischen wieder deutlich unter jenen von Ende 2022/Anfang 2023. Wenig erstaunlich deshalb, dass die Nachfrage nach Eigenheimen seither stärker gestiegen ist als jene nach Mietwohnungen.
Ausblick
Glaubt man den Prognostikern, sind die Wirtschaftsaussichten in der Schweiz für 2024 nicht wahnsinnig rosig, insbesondere weil viele unserer wichtigsten Handelspartner eher bescheidene Wachstumsprognosen ausweisen. Grosse Sprünge sind bei der gesamtschweizerischen Wohnungsnachfrage deshalb nicht zu erwarten. Weil die Auguren inzwischen aber auch in der Schweiz mit Zinssenkungen bereits im Verlauf von 2024 rechnen, kann davon ausgegangen werden, dass sich die Eigenheimnachfrage eher dynamischer entwickeln wird als die Mietwohnungsnachfrage.