Der durch die Pandemie ausgelöste Anstieg der Wohnungsnachfrage zeigt sich auch in der Entwicklung der Leerstandszahlen. Während der Leerstandsrückgang im vergangenen Jahr – zumindest im Ausmass – noch überraschte, wurde er dieses Jahr erwartet.
Tiefere Leerstände
Mitte September veröffentlichte das Bundesamt für Statistik (BFS) die Resultate der diesjährigen Leerwohnungszählung vom 1. Juni. Gemeldet wurden schweizweit etwas über 61 000 leere Wohnungen, knapp 10'000 weniger als vor Jahresfrist und so wenige wie seit 2016 nicht mehr. Die Leerwohnungsziffer betrug noch 1,31% (2021: 1,54%). Damit bestätigte sich die Trendwende des Vorjahres, die damals, zumindest in ihrem Ausmass, viele Marktteilnehmer überrascht hat. Dieses Jahr konnte ein Rückgang auch in dieser Höhe durchaus erwartet werden, denn sowohl die angebotswie auch nachfrageseitigen Indikatoren zeigten alle in die gleiche Richtung.
Rückläufiges Angebot
Seit 2020 geht die Zahl der auf den Immobilienportalen ausgeschriebenen Wohnungen stetig zurück. Im Mietwohnungssegment war im Jahr 2020 eine eigentliche Trendwende zu beobachten, hatte sich das Mietwohnungsangebot doch zuvor seit 2014 Jahr für Jahr erhöht. Im Segment der Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser hatte die Zahl der ausgeschriebenen Objekte in der zweiten Hälfte der 10er-Jahre tendenziell stagniert, bevor 2020 der beschriebene Rückgang einsetzte.
Mit ein Grund für diesen Unterschied zwischen dem Mietwohnungs- und dem Eigenheimsegment ist in der Neubautätigkeit zu suchen, die sowohl bei den Eigentumswohnungen als auch bei den Einfamilienhäusern schon seit längerer Zeit zurückgeht, während der Mietwohnungsneubau noch bis ins laufende Jahrzehnt hinein einen eigentlichen Boom erlebt hat. Inzwischen ist aber auch die Zahl der baubewilligten Mietwohnungen rückläufig, sodass angebotsseitig ein Rückgang der Leerstände in allen Segmenten erwartet werden konnte.
Steigende Nachfrage
Das rückläufige Angebot traf in allen Marktsegmenten auf eine steigende Nachfrage. Wie schon mehrfach beschrieben, haben die pandemiebedingten Lockdowns zu einer eigentlichen Neubewertung des Wohnens geführt. Die Wohnungsnachfrage, gemessen an der Zahl der Suchabos auf den Immobilienportalen, hat sich ab April 2020 massiv erhöht, sowohl im Mietwohnungssegment als auch, und insbesondere, bei den Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern.
Doch nicht nur die veränderten Präferenzen der inländischen Wohnbevölkerung haben zu diesem Nachfrageanstieg beigetragen. Auch die Nettozuwanderung fiel in den vergangenen beiden Jahren mit je über 60'000 Personen deutlich höher aus als in den Jahren zwischen 2017 und 2019 (je ca. 50'000 Personen).
Verbreitete Knappheiten
Die Kombination von rückläufigem Angebot und steigender Nachfrage resultierte in einen starken Rückgang der Leerstände. Während die Leerstandsproblematik noch in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts eines der drängendsten Themen der Immobilienbranche war, ist sie heute weitgehend aus den Diskussionen verschwunden. Nicht nur an den attraktivsten Wohnstandorten ist heute vielmehr die Wohnraumknappheit wieder ein Thema. Daran wird sich aller Voraussicht nach kurzfristig auch nichts ändern, denn das Wohnungsangebot lässt sich bekanntlich nicht von heute auf morgen ausdehnen. Und auch mittelfristig wird das ungenügende Angebot ein Thema bleiben, denn eine Ausweitung würde eine verstärkte Neubautätigkeit bedingen, was aus verschiedenen Gründen (harzende Verdichtung, überbordende Regulierung etc.) nicht ganz einfach ist.
Wie weiter mit der Nachfrage?
Ob eine Entspannung von der Nachfrageseite kommen wird, ist gegenwärtig zu bezweifeln. Zwar sind die Nachfrageindizes bei den Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern im Zuge einer Korrektur des pandemiebedingten Booms und der steigenden Zinsen etwas zurückgekommen (vgl. Abbildung 2), doch befindet sich die Nachfrage nach Eigenheimen immer noch auf hohem Niveau. Und bei den Mietwohnungen (vgl. Abbildung 1) scheint sich der Nachfrageanstieg eher zu beschleunigen. Einen Beitrag dazu liefert auch die Zuwanderung, welche von den CS-Experten für dieses Jahr auf rund 70'000 Personen geschätzt wird – und darin sind die über 60'000 Menschen, die vor dem Krieg aus der Ukraine in die Schweiz geflohen sind, noch nicht einmal enthalten.
Eine rasche Beseitigung der Nachfrageüberhänge auf dem Schweizer Wohnungsmarkt und ein erneuter Leerstandsanstieg sind deshalb nicht zu erwarten – es sei denn, eine schwere Rezession würde die Nachfrage abrupt bremsen. Die Probleme, die es dann zu bewältigen gäbe, wären allerdings wesentlich gravierender als jene, die sich aus den gegenwärtigen Knappheiten auf dem Wohnungsmarkt ergeben.