Die konjunkturellen Unsicherheiten haben in der Schweiz zu einer Trendwende bei der Eigenheimnachfrage geführt – die sinkenden Zinsen verhindern aber einen Absturz.
Trendumkehr bestätigt
In der April-Ausgabe der Immobilia haben wir vermutet, dass der vom US-amerikanischen Präsidenten losgetretene Handelskrieg Folgen für den Schweizer Immobilienmarkt haben wird (vgl. «Trendwende bei der Nachfrage»). Insbesondere haben wir konstatiert, dass der Kauf eines Eigenheims eine langfristige Investition darstellt und sich potenzielle Käufer in einem unsicheren Umfeld mit weitreichenden Entscheidungen tendenziell zurückhalten. Entsprechend haben wir den leichten Knick bei der an der Anzahl Suchabos gemessenen Nachfrage nach Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern als Trendwende interpretiert und vermutet, dass sich diese in den kommenden Monaten bestätigen wird.
Inzwischen liegen die Zahlen bis Mai dieses Jahres vor und die Trendwende bei der Nachfrage nach Eigenheimen ist Tatsache geworden. Die Indexwerte bei den Eigentumswohnungen liegen im Mai fast 4% und bei den Einfamilienhäusern fast 3,5% tiefer als noch im Februar dieses Jahres.
Absackendes Konjunkturbarometer
Die Verunsicherung in Bezug auf die weltwirtschaftliche Entwicklung führt auch hierzulande zu Problemen. So haben sich die Aussichten für die Schweizer Konjunktur deutlich eingetrübt (vgl. Abbildung 1). Im April sank das KOF Konjunkturbarometer um nicht weniger als 6,1 Punkte auf 97,1 Punkte und damit unter den mittelfristigen Durchschnittswert. Gemäss KOF standen insbesondere die Indikatoren des verarbeitenden Gewerbes unter Druck: «Besonders negativ getroffen zeigen sich die Indikatoren für das Auslandsgeschäft, die Produktionstätigkeit und die Wettbewerbssituation.»
Der Rückgang beim vorlaufenden Indikator für die Schweizer Konjunktur fällt damit nicht zum ersten Mal deutlich grösser aus als der Rückgang bei der Immobiliennachfrage. Das dürfte auch damit zusammenhängen, dass die potenziellen Eigenheimnachfrager zwar infolge der schlechteren Konjunkturaussichten weniger häufig neues Suchabos aufgeben, ihre bereits bestehenden Suchabos aber nur in den seltensten Fällen löschen. Und da die Nachfrageindizes für Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser sämtliche aktiven Suchabos umfassen, zeigen sich neue Tendenzen in den Nachfrageindizes zwar sehr frühzeitig, aber weniger dramatisch.

Stabilisierende Zinsen
Abbildung 1 macht auch deutlich, dass die Entwicklung der Eigenheimnachfrage nicht allein mit den Konjunkturerwartungen erklärt werden kann. So beschleunigt sich der Nachfragerückgang ab Februar 2022 plötzlich und in einem Ausmass, das mindestens einen zusätzlichen Einflussfaktor vermuten lässt. Und auch der überproportionale Anstieg der Nachfrage nach Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern seit der letzten Trendwende Mitte 2023 kann offensichtlich nicht nur auf die sich verbessernden Konjunkturaussichten zurückgeführt werden.
Wie schon berichtet (vgl. z. B. Immobilia, Dezember 2024, «Wohneigentum: Wohin geht die Reise?») spielen bei der Eigenheimnachfrage neben den wirtschaftlichen Aussichten auch die Finanzierungskosten eine wichtige Rolle. Insbesondere ist der Zusammenhang zwischen Nachfrageentwicklung und der (nominellen) Zinsentwicklung sehr eng.
Ein Blick auf die Entwicklung der Zinsen für Bundesobligationen mit einer Laufzeit von 10 Jahren macht diesen Zusammenhang deutlich. So lässt sich die Beschleunigung des Nachfragerückgangs ab Februar 2022 problemlos mit dem raschen Zinsanstieg infolge der steigenden Inflationserwartungen (Beginn des Ukrainekriegs, stark steigende Energiekosten) erklären. Und auch der überproportionale Anstieg der Eigenheimnachfrage ab Mitte 2023 dürfte eng mit dem Zinsrückgang verbunden sein.

Ausblick
Für eine Prognose, wie es mit der Eigenheimnachfrage weitergehen könnte, lohnt es sich deshalb, sowohl die Konjunkturaussichten als auch die Zinsentwicklung im Auge zu behalten. Denn wie es scheint, wirken diese beiden wichtigen Einflussfaktoren gegenwärtig in entgegengesetzte Richtungen. Während das absackende Konjunkturbarometer erwarten lässt, dass die Nachfrage nach Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern noch weiter zurückgehen könnte, bremsen die wieder rückläufigen Zinsen diesen Rückgang.
Dies ist in den allermeisten ökonomischen Szenarien das übliche Zusammenspiel zwischen Wirtschafts und Zinsentwicklung: Eine gute Konjunkturentwicklung lässt Nachfrage und Preise steigen, was die Notenbank dazu veranlasst, die Zinsen zwecks Inflationsbekämpfung zu erhöhen. Umgekehrt sorgt eine Verschlechterung der Konjunkturaussichten typischerweise für eine tiefere Nachfrage und tiefere Preise, was die Schweizerische Nationalbank (SNB) zu Zinssenkungen veranlassen kann.
In der Schweiz kommt hinzu, dass die SNB mit ihrer Geldpolitik nicht nur die Preisstabilität im Auge hat, sondern immer auch etwas auf die Wechselkursentwicklung schielt. Aufgrund der Bedeutung des Kurses des Schweizer Frankens für eine kleine offene Volkswirtschaft die Schweiz lässt sich dieses «Schielen» durchaus nachvollziehen.
Für die Zinsentwicklung in den kommenden Monaten bedeutet das, dass die Gefahr von steigenden Zinsen in der Schweiz gebannt scheint. Die Konjunkturentwicklung lässt kein Überborden der Nachfrage erwarten, und der starke Schweizer Franken spricht ebenfalls eher für weitere Zinssenkungen. Der Rückgang bei der Eigenheimnachfrage dürfte sich zwar, zumindest so lange die Unsicherheiten bezüglich der weltwirtschaftlichen Entwicklung bestehen bleiben, weiter fortsetzen, zu einem Absturz wird es jedoch wegen der tendenziell eher sinkenden Zinsen nicht kommen.